Am Donnerstag, den 14. November 2019 wurde in den Projekträumen feldfünf im Berliner Metropolenhaus im Rahmen einer feierlichen Verleihung der achte Wilhelm Braun-Feldweg-Förderpreis für designkritische Texte vergeben. Ausgezeichnet wurde Laura Linsig mit ihrem Beitrag Beyond Thainess – Textil als Träger von Tradition und Identität. In ihrem Text beschäftigt sich die Absolventin der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle mit dem Narrativ indigener Produktkultur und der aktuellen Bedeutung handwerklicher Traditionen. Die Laudatio hielt Mateo Kries, Direktor des Vitra Design Museums als diesjähriger Mentor des bf-Preises. Thomas Edelmann, Fachjournalist und Jurymitglied und Stephan Ott, Chefredakteur der Designzeitschrift form traten als Hauptredner auf.
Der seit 2004 vergebene bf-Preis fördert die theoretische Arbeit junger Gestalter vom Essay über die Reportage bis zur wissenschaftlichen Arbeit. 70 Hochschulen in Deutschland, Österreich und der Schweiz werden im Rahmen der Auslobung kontaktiert. Die aus Prof. Anna Berkenbusch, Prof. Egon Chemaitis, Thomas Edelmann, Prof. Dr. Florian Hufnagl, Prof. Susanne Schwarz-Raacke und Prof. Matthias Wagner K zusammengesetzte Jury stimmte am 20. Juni 2019 unter den 43 Einsendungen für eine Auszeichnung und zwei gleichrangige Anerkennungen. Vergeben wird ein einziger Preis, der in Form einer Publikation im Niggli-Verlag honoriert wird. Als Theoriepreis für schreibende Gestalter ist der Wilhelm Braun-Feldweg-Förderpreis für designkritische Texte einzigartig. Die eingereichten Arbeiten sind in ihrer thematischen Breite ein Spiegel der Zeit, eine Untersuchung zur aktuellen Lage des Designs und relevante Auseinandersetzungen mit politischen und soziokulturellen Themen. Das belegen auch die beiden Anerkennungen 2019. Julian Bühler untersucht in seinem Text »Die Aneignung des ländlichen Raumes von Rechts durch gestaltende Strategien« die Rolle von Design und Architektur in der Werbung für rechte Ideologien. Susanne Umscheid beschäftigt sich im »Geschlecht der Dinge« mit unsensiblen Genderklischees in der Gestaltung – vom Werkzeugkasten für die Frau bis zu Kerzen für Männer. »In der Gesamtschau zeigt sich, dass politisch kontrovers diskutierte Themen auch im Hochschulkontext ihren analytischen Widerhall finden.« urteilte der Juror Thomas Edelmann in seiner Ansprache.
Laura Linsig, Beyond Thainess – Textil als Träger von Tradition und Identität
Laura Linsigs Beitrag zeichnet eine präzise, bescheidene und eindringlich beschreibende Sprache aus. Durch wiederholte Einschübe persönlicher Erlebnisse vermittelt sie Nähe zum Thema, lässt ihre Betrachtungen aber immer in der Reflexion und Analyse münden. Neben der konkreten Auseinandersetzung mit der thailändischen Textiltradition stellt sie die Frage nach einer nationalen Designkultur und ihrem Beitrag zur Identitätsbildung. Ist sie eine bloße Erfindung? Eine Konstruktion, mit hauptsächlich wirtschaftspolitisch und touristisch motiviertem Hintergrund? Welche Rolle spielt der Austausch, die Konfrontation mit dem Fremden, die Weiterentwicklung des Überlieferten bei der Entwicklung regionaler Strategien? Laura Linsig betont die Bedeutung von Austausch, gegenseitigen Einflüssen und Erfahrungswerten als Fundament, aber auch bei der Entwicklung und Wiederbelebung von Designtraditionen. Ihre historisch einordnende und mit praktischen Beispielen belegte Analyse wirft Fragestellungen auf, deren Bedeutung über die regionale Textiltradition Thailands hinausreicht.
Aus der Laudatio von Mateo Kries
»Das gewählte Thema Textil ist ein leises. In der Designwelt sind Textilien ein wichtiger Bestandteil, mit gigantischen Industrien und großen Auswirkungen auf Nachhaltigkeit und soziale Strukturen. Gemessen daran ist der Diskurs über Textil im Design minimal. Deshalb ist es wichtig einen Text auszuzeichnen, der zeigt, dass dieses Feld einen Blick und eine fundierte Analyse wie die von Laura Linsig wert ist. Auch Textilien sind Schrift. Wir haben Notationen, Linien, Kette und Schuss. Wir haben ein Vokabular, Werte und Symbole. Gerade in Kulturen, in denen die Alphabetisierung noch nicht alle Bevölkerungskreise erreicht hat, sind Textilien eine wichtige Möglichkeit Traditionen, Mythen und Identität auszudrücken. Insofern ist die Entscheidung, einen Preis an einen Text zu verleihen, der sich dem Thema Textil widmet, in doppelter Hinsicht ein Eintreten für die Schrift und für die Kritik. Es ist eine Auszeichnung für das Schreiben über Design, aber es ist auch die Möglichkeit den Blick auf einen Aspekt von Design zu lenken, der selbst Schrift und Schriftkultur ist.«
Textauszüge Beyond Thainess
»Da sich das Wort Thainess, von der ersten Silbe ausgehend, auf die Staatsbürger Thailands bezieht, liegt die Vermutung nahe, dass es Elemente beinhaltet, deren Wurzeln in einer ursprünglichen thailändischen Lebensweise zu finden sind. Je nach Kontext erhält Thainess eine überaus positive Bedeutung, die den nationalen Zusammenhalt beschwört und an ihre Andersartigkeit gegenüber anderen Kulturen erinnert. Obwohl der Begriff nicht einfach in Worte zu fassen ist, scheint er bei vielen Menschen in Thailand eine starke Empfindung auszulösen. In der urbanen Kultur Thailands besetzen handgefertigte Produkte eine Marktnische, die dem gegenwärtigen Alltag eine Ahnung von Vergangenem geben. Neben exklusiven internationalen Marken präsentiert beispielsweise der Concept Store Siwilai des luxuriösen Einkaufszentrums Central Embassy Mall in Bangkok lokale Produkte, die innerhalb des zukunftsorientierten Konzepts eine enge Verbindung zu den thailändischen Wurzeln symbolisieren sollen.«
»Die Plätze sind gefüllt mit einem Meer schwarzgekleideter Menschen, die trauern. Bilder davon erreichen mich durch Zeitungen und Newsticker. Empfohlen ist schwarz für Staatsdiener. In der Videoübertragung sehe ich meinen Freund ein grünes T-Shirt tragen. Ich frage ihn nach dem verordneten Schwarz. »Farbe sagt nicht viel für mich aus. Ich werde meinen Respekt dadurch zum Ausdruck bringen, dass ich die Prinzipien umzusetzen versuche, die der König für uns entwickelt hat.« Die Tage verstreichen. Viele Menschen reisen nach Bangkok, um ihm die letzte Ehre zu erweisen. Wir telefonieren täglich. »Viele Händler steigen gerade in den Verkauf schwarzer T-Shirts ein. Gar keine schlechte Idee.« Nat grinst. Er trägt mittelblau. Ich lese in der Zeitung von einer Frau, die von Nachbarn bezichtigt wurde, nicht genug zu trauern. Seit zwei Wochen senden alle Fernsehsender 24/7 staatliches Programm. Die Beisetzung wird in einem Jahr stattfinden. Ich sehe Nat auf dem verpixelten Bildschirm meines Smartphones. Er trägt ein schwarzes T-Shirt.«
- Der Text ist als Buch beim Schweizer Niggli-Verlag unter dem Titel Beyond Thainess und mit einem Vorwort des bf-preis-Mentors 2019 Mateo Kries erschienen. Hardcover, 144 Seiten, mit 20 farbigen Abbildungen.
- Weitere Informationen über Wilhelm Braun-Feldweg sowie über frühere Jahrgänge des Preises unter www.bf-preis.de