»Flächen sind nicht vorhanden, denn sie begegnen uns nicht als Körper, die wir mit den Händen greifen … Dennoch sind wir von Flächen umgeben, nur sie sind nicht für die Hände gemacht, sondern für die Augen.« Vilém Flusser, 1983
Grundgedanke der Ausstellung Vorbilder oder Die Verkleidung der Dinge ist die analytische Beschäftigung mit Oberflächen, mit der Verkleidung der Dinge durch Bilder. Die Künstlerinnen und Künstler verhandeln das sich grundlegend wandelnde Verhältnis des Menschen zu den Dingen seines Alltags und untersuchen die zentrale Funktion von Bildern in dieser technologisch bedingten Transformation.
Analog zur umfassenden Digitalisierung des Lebensalltags hat sich die menschliche Wahrnehmung in den zurück liegenden Jahrzehnten entscheidend gewandelt. Immer weniger begreifen wir die Welt der Dinge in ihrer haptischen Qualität, sondern rezipieren sie zunehmend über visuelle Faktoren und ihre medialen Eigenschaften. Angesichts dieser Erosion des Dinglichen kommt den Oberflächen der Dinge in unserer medial überformten Wahrnehmung eine neue und noch unüberschaubare Bedeutung zu. Denn nicht nur die reale Welt, sondern auch der Eintritt in die mediale Welt erschließt sich über Surfaces und Interfaces. Oberflächen werden zunehmend zu Trägern von Bildern, über die wir uns medial die Dinge aneignen.
Bilder sind Oberflächen und wenn wir auch die Dinge selbst zunehmend wie Bilder wahrnehmen, so liegt der Fokus der Aufmerksamkeit auf ihrer Oberfläche. Bildfassaden, wie z.B. die Displays von Smartphones, passen die im Hintergrund ablaufenden abstrakten Rechenprozesse an die körperlichen Bedingungen menschlichen Handelns an. Sie fungieren als Vermittler zwischen Abstraktion und konkreter Welt und bringen eine Gewöhnung an Surrogate mit sich. Die Simulakren ersetzen nach und nach die Wirklichkeit und werden zur entscheidenden Alltagserfahrung. Aber nicht nur Smartphones, das Fernsehen und der Computer sind medialer Natur, sondern auch Konsumgüter und ihre Verpackungen vermitteln inhaltliche Botschaften über Fotografien, Farben und Symbole.
In der Konsequenz avancieren die Oberflächen nahezu aller Dinge unseres zivilisatorischen Lebensumfelds selbst zur Information und senden permanente Botschaften über ihren Wert, ihren Gebrauch und über ihren Imagegewinn. So versprechen z.B. anthropomorphe Formen körperliche Anschmiegsamkeit oder suggerieren omnipräsente Naturbilder ökologisches Bewusstsein.
Gegenstände sind nicht mehr mit sich selbst identisch, sondern in ihrem Bild. Darin besteht ihre Verwandschaft zu den bedienbaren Oberflächen virtueller Displays. Die Dinge schauen uns an und ihre Oberflächen locken über den immer perfektionierteren Einsatz von Bildern unsere Aufmerksamkeit.
Mit Arbeiten von Beat Brogle, Tom Früchtl, Martin Pfahler, Barbara Wille.
Begrüßung: Dr. Ralf F. Hartmann, Direktor Kunstverein Tiergarten
Einführung: Martin Pfahler, Kurator
Turmstraße 75
10551 Berlin info@kunstverein-tiergarten.de
www.kunstverein-tiergarten.de
Öffnungszeiten: Dienstag bis Samstag 13 – 19 Uhr
Zusätzliche Veranstaltungen
Donnerstag, 19. November, 19 Uhr
Ausstellungsrundgang mit den Künstlerinnen und Künstlern
Moderation: Ralf F. Hartmann
Donnerstag, 26. November, 19.30 Uhr
Die Verkleidung der Musik – Zur Übertragung visueller Chiffren in Klangwelten
Ein Gespräch zwischen dem Komponisten Walter Zimmermann und Martin Pfahler
Freitag, 4. Dezember, 20.30 Uhr
Audiovisuelle Amplitudenschwankungen
Finissage und Performance: Beat Brogle (Bild u. Ton) und Tom Früchtl (E-Gitarre u. Specials) improvisieren durch den Bilderstrom des Internets