Ulrike Theusner – Land of Plenty

»In meiner Arbeit visualisiere ich Gefühle, Gedanken, Empfindungen, die durch Ereignisse in meinem Inneren und Erlebnisse mit meiner äußeren Welt entstehen, die miteinander kommunizieren, sich verwirren und wieder entflechten. Manchmal erkenne ich wiederkehrende Muster und greife auf archetypisch anmutende Materialien der Kunstgeschichte zurück, die wie eine metaphorische Übersetzung die aktuellen Zustände beschreiben. Die Bilder bekommen breite Assoziationsflächen und können als Spiegel auf den Betrachter wirken. Oft sind die Zeichnungen mit Textfragmenten versehen als wären sie Aufzeichnungen aus einem Tagebuch. Dabei suche ich nicht nach den Bildern, die Bilder finden mich. Auf diese Art lassen sich momentane Gefühlszustände unmittelbar in Bilder übersetzen. Auch wenn das Abgebildete durch meine Sichtweise verändert wird, enthält es doch immer die ganze Information der Wirklichkeit.« Ulrike Theusner, Mai 2016

Land of Plenty

Die in das vermeintlich paradiesisch anmutende Land strebenden Menschenkinder gleichen Porzellanfiguren aus der Zeit des Rokoko. Wie unwissende Kinder sehen sie nur den naheliegenden Überfluss, der sich in den riesigen gebratenen Krabben und Schrimps als ein dekadentes Mahl präsentiert. Diese freundlich naive, in Watte gepackte, pastellfarbene Generation scheint auf der Suche nach noch mehr Sorglosigkeit, nach einem Glück ohne Anstrengung, nach immer mehr »Fun«.

Der Globus in der Hand ist nur ein Ball; sie spielen mit einem Wissen, das sie nicht haben, obwohl nur ein Mausklick genügt, es sich anzueignen. Eine Quelle sprudelt aus einem Brunnen, von der die Figur der Mickymaus herab leuchtet. Die Heterotopie des Disneyland hat ihre Funktion verloren, die kleine Gruppe strömt weiter und entdeckt eine Mutation des Goldenen Kalbs. Dieses symbolisiert zementierte, kranke und mutierte Werte und warnt mit seinem Januskopf vor den Folgen falscher Wertvorstellungen. Die bereits leblosen, versteinerten Figuren, die um das Denkmal herum tanzen, jagen einem falschen Bild hinterher und werden nicht müde, ihre Götzen, die sie nicht wirklich begreifen, anzubeten. Sie gleichen der sie entdeckenden Gruppe der Menschen, die den Zugang zu sich selbst, zu ihrer Herkunft nicht suchen werden und sich von äußeren Eindrücken und Einflüssen leiten lassen, ohne zu bemerken, dass sie ihre Individualität dabei verloren haben.

Sie streben weiter und werden im nächsten Bild von einem trommelnden, maskierten Engel empfangen: »Welcome to paradise«. Es scheint, als trommle er alle zusammen, um sie zu den im Hintergrund stattfindenden Vergnügungen zu leiten, die dort spiegelgleich, doppelt, austauschbar, parallel und inhaltslos stattfinden. Diese »schöne neue Welt« wird bewacht von goldenen Statuen, die wie verformte, missgebildete Homunkuli wirken. Die Menschenkinder bemerken nicht das Pferd mit seiner majestätischen Reiterin. Sie ist die Königin des Bildes, »Lady Death«, und erinnert an die »Apokalyptischen Reiter«. Sie ist die unumstrittene Herrscherin auch im Eldorado, deren vielsagendes, wissendes Lächeln nur auf ein Wesen verstörend wirkt, das sich ängstlich vor ihr zu verbergen versucht.

Im Gestrüpp versteckt sich ein Hund, der sich in das Fleisch eines anderen Hundes krallt; die Tiere sind nicht in der Lage, ihrer Aufgabe als Seelenführer nachzukommen. Aber den Menschenkindern ist Bezug zur Seele auch abhanden gekommen, sie stolpern wie fremde, (de)generierte Wesen herum, unfähig, gerecht zu urteilen oder nach Höherem zu streben als nach äußerem Reichtum, der die eigene Existenz im Schlaraffenland weiterhin sichert …

Ulrike Theusner

(geboren 1982 in Frankfurt/O., lebt und arbeitet in Weimar und Berlin), studierte von 2002 bis 2008 an der Bauhaus Universität Weimar und der Villa Arson Nice, Frankreich. 2010 erhielt sie den ersten Preis der Internationen Grafiktriennale Toulouse, 2011 ein Arbeitstipendium des Landes Thüringen und 2013 den Grafikpreis der Ilsetraud-Glock-Grabe Stiftung.

Sie hat an zahlreichen Einzel -und Gruppenausstellungen teilgenommen, u. a.: Welcome to Paradise Galerie Rothamel, Frankfurt 2016 • PornPornPorn Eigen+Art LAB, Berlin 2015 • Les Fleurs du Mal Lodge Gallery, New York 2014 • De Grand Yeux Mords Galerie Dukan, Leipzig • Hold UP! Salon Jeune Creation, Paris 2013 • Limbo Express Y Gallery, New York, 2012 •  Kunsthalle macht Schule Kunsthalle Darmstadt, 2011 • Ten Seconds of Fame Galerie Wagner & Partner, Berlin 2010 • Traits Noir Musée des Beaux-Arts, Nizza 2009.

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