Die Sonderausstellung Tieropfer. Töten in Kult und Religionim Grazer Archäologiemuseum beschäftigt sich mit der Bedeutung des rituellen Schlachtens und rücktdie psychologischen, historischen und soziologischen Aspekte von Tiertötungen in den Fokus. Reste von rund 1500 Opfertieren aus dem latènezeitlichen Heiligtum am Frauenberg bei Leibnitz bilden den Ausgangspunkt der vierten Ausstellung des Tierschwerpunktes im Universalmuseum Joanneum.
Eines der größten Heiligtümer der La-Tenè-Zeit
Die ältere Forschung verband die jüngere Eisenzeit (ca. 450 v. Chr. bis Christi Geburt), die nach einem Schweizer Fundort auch »La-Tène-Zeit« genannt wird, mit dem »Volk« der »Kelten«. In der Steiermark traten die für die jüngere Eisenzeit typischen kulturellen Veränderungen wie die vermehrte Verwendung von Töpferscheiben, Münzgeld oder Schwertern mit Eisenklingen erst ab dem 3. Jh. v. Chr., also sehr spät, auf. Es gab einige stadtähnliche Orte, sogenannte oppida,auf dem Gebiet der heutigen Steiermark. Der wichtigste von ihnen befand sich auf dem Frauenberg bei Leibnitz. Die rund 17 Hektar große Siedlungsfläche war durch eine teilweise heute noch sichtbare Wallanlage geschützt und nahm das Gipfelplateau sowie umliegende Terrassen ein. Ein sich dort befindendes 0,8 Hektar großes Sakralareal wurde 150 Jahre lang kultisch genutzt, und Funde von Keramik, Münzen und Tierknochen lassen Schlüsse auf die damalige Lebensweise zu.
Die Funde am Frauenberg
Im Zuge der archäologischen Grabung am Frauenberg fand man zahlreiche Gegenstände aus Keramik: Drehscheibenware, Grafittonkeramik, einheimische Grobkeramik und Importstücke sowie vereinzelt bemalte Stücke. Besonders bedeutende Funde waren Gefäßfragmente mit Ritzzeichen. Diese belegen als erste Zeugnisse die Verwendung von Schrift in der Steiermark. Erste eigene Münzprägungen gab es in der Steiermark ab dem 2. Jh. v. Chr., nachdem die Verwendung von Münzgeld die vorher übliche Tausch-und Naturalwirtschaft ersetzte. Auf dem Frauenberg wurden sogenannte »Tüpfelplatten« für den Guss von Münzrohlingen sowie stempelidente Kleinsilbermünzen gefunden. Dies ist in der Steiermark der bislang einzige derartige Fund, weswegen anzunehmen ist, dass die Siedlung auf dem Frauenberg eine Prägestätte war.Die Überreste von zahlreichen Tieren, darunter ausgewählte Teile von etwa 1400 Rindern – vor allem Schulterblätter und Unterkiefer –, aber auch Knochen von Schweinen, Pferden, Schafen, Ziegen, Hunden, Geflügel und Wildtieren wurden am Frauenberg gefunden. Diese Fundebelegen die Wichtigkeit von Tieropfern für die Glaubensvorstellungen und Opferbräuche dieser Zeit.
Tieropfer in den Kulturen
Psychologisch und soziologisch betrachtet,kann die Jagd als Ursprung von Opferritualen gesehen werden: Aggression, die eigentlich gegen menschliche Artgenossen gerichtet ist, wird auf ein Tier gelenkt – die Tötungshemmung setzt zeitweilig aus. Den Mittelpunkt der Handlung bildet immer die menschliche Gewalttat, das gemeinsame Erlebnis des Tötens. Das (Opfer-)Mahl festigt die Gemeinschaft und bildet in der Fleisch-Verteilung zugleich soziale Schichten ab. Die gesellschaftliche Struktur der Opfergemeinschaft bestimmte wohl die Verteilung des Opferfleisches. Dies könnte auch die Selektion der Knochen am Opferplatz am Frauenberg erklären: Ein Teil des Opfertieres blieb vor Ort, während der größte Teil der fleischtragenden Teile von den Festgästen mitgenommen wurde.
Räumlich und zeitlich weit entfernt vom Heiligtum am Frauenberg, bietet die griechisch-römische Antike dennoch Möglichkeiten zum Vergleich: Anfang und Ende des Festkalenders der Stadt Athen bildeten die Panathenäen und die Buphonien, zwei Feste, bei denen Rinder rituell geschlachtet wurden. Das Unbehagen, das die Menschen beim Töten der Tiere empfanden, bewältigten sie, indem die Schuld am Tod der Tiere auf das Beil, mit dem die Schlachtung ausgeführt wurde, übertragen wurde: Die »schuldige« Waffe wurde entsorgt und das vor der Tötung geweihte Tier wurde wieder entweiht, um überhaupt verzehrt werden zu können. Dem »schuldlosen« Fleischkonsum dienend, wurden Tieropferin Griechenland seit dem 5. Jh. v. Chr. als »Unschuldskomödien« verspottet.
Auch heute bereitet uns Menschen das Töten von Tieren noch Unbehagen und regt zu Diskussionen an. In Österreich werden pro Person rund 65 kg Fleisch pro Jahr verzehrt, doch die dafür notwendigen Tiertötungen sollen verborgen stattfinden. Bilder vom Schlachten konfrontieren uns mit dem Leid eines empfindungsfähigen Wesens und der »Schuld« an dessen Tod, für den es keine religiösenLegitimationen gibt.
Kuratiert von Barbara Porod
- Universalmuseum Joanneum
Archäologiemuseum, Schloss Eggenberg, Eggenberger Allee 90, 8020 Graz - Öffnungszeiten: 26. März–30. Oktober, Mi–So 10–17 Uhr
- https://www.museum-joanneum.at/archaeologiemuseum-schloss-eggenberg