pretty shiny stuff. Zeichnungen, Emaillen und Objekte von Astrid Köppe

Nach wie vor gilt, dass die Kunst der Natur so gut wie alles verdankt. Damit ist nicht nur die Nachahmung der äußeren Wirklichkeit in ihrem Bestand gemeint, also das Abfassen dessen, was nicht Menschenwerk ist. Das Werk von Astrid Köppe kann als exemplarisch gelten für eine Kunst, die über die Natur hinausgeht und doch vollständig von ihr imprägniert ist. Eine Kunst, die in die Geheimnisse der Natur eindringt, indem sie sie zu Geheimnissen der Kunst macht.

Da sind zunächst die naturähnlichen Formen, die vor allem in den auf DIN A4 großen Blättern angefertigten Zeichnungen von einem vertraut-fremdartigen Kosmos künden. Da sind aber auch die Prozesse. Das Werden der Lebensformen, das sich in den kleinformatigen Preziosen entfaltet, schlägt sich im Werden der Bilder nieder. Bei Köppe vollzieht sich die Transformation des Angeschaut-Vorgestellten hin zu einem Zeichen ohne Bedeutung. Das Bild in seiner (vorläufigen) evolutionären Endstufe, wenn die Formulierung erlaubt ist, zeigt vor allem sich selbst, sein eigenes Sein, während die phylogenetisch älteren – nämlich die Zeichnungen – in den Horizont der Beobachtung eingebettet sind. Eine Beobachtung von naturwissenschaftlicher Zurückhaltung, deren Gegenstand freilich die Vorstellungskraft selbst ist.

Aus den zarten Zeichnungen, die das Ephemere ihres Sujets auch technisch austragen, verdichten sich in den großen Emaille-Arbeiten – eine Technik, die Astrid Köppe 2005 für sich entdeckte – Zeichen vom Leben der Bilder, fast wie die Funde einer archäologischen Grabung. Köppes Kunst ist nicht nur eine Zurückweisung der traditionellen Auffassung vom Bild als Fenster zur Welt, sie stemmt sich auch gegen die Forderung des Ausdrucks, indem sie sich als Eindruck präsentiert, als Beobachtung von Vorgefundenem, selbst wenn dieses nur als Möglichkeit existiert. »Kunst [deutet] nicht mehr auf ein anderes exemplarisches Sein hin, sondern sie ist selbst dieses für die Möglichkeiten des Menschen exemplarische Sein: das Kunstwerk will nicht mehr nur etwas bedeuten, sondern es will etwas sein«, schreibt der Philosoph Hans Blumenberg in einem Essay über die »Nachahmung der Natur«.1)Hans Blumenberg, »Nachahmung der Natur«, in ders., Wirklichkeiten in denen wir leben, Stuttgart: Reclam 2012, S.55–103, hier S.93. Wobei dieses Sein sich in der zeichenhaften Reduktion und dem Verzicht auf jegliche räumliche Andeutung umso stärker artikuliert.

Neben den Zeichnungen, deren Zahl mittlerweile die dreitausendsechshundert überschritten hat, und den Emaille-Bildern sind kleinformatige, mit Blattsilber überzogene Tafeln und eine Prägearbeit zu sehen. Gerade an diesen beiden ist zu erkennen, wie die Gleichführung bildnerischer und biologischer Prozesse zum Kern der künstlerischen Auseinandersetzung Astrid Köppes führt. Wo das Bild in den Silberarbeiten erst unter der Einwirkung von Sauerstoff nach und nach – immer deutlicher und kontrastreicher – auf der Fläche hervortritt, es also eine Zeichnung der Luft, mithin der Chemie ist, bleibt es in dem geprägten Blatt erstens immer nur angedeutet und ist zweitens eine Zeichnung des Lichts, indem es eben nur aus Schattenwurf besteht. In beiden Arbeiten ist das Bild etwas, das zur Erscheinung gebracht wird, wofür die Künstlerin nur die Voraussetzungen schafft.

Ebenso wie die Emaille verweisen Silbertafeln und Prägung auf das Bildermachen selbst. Unschwer ist der Bezug zur Fotografie zu erkennen, bei der – in ihrem analogen Verfahren – in eine Emulsion aus Silberhalogeniden durch Lichteinwirkung ein latentes Bild eingeschrieben wird, welches mittels chemischer Entwicklung auf einem Bildträger sichtbar gemacht wird.

Auf ganz eigene Art variiert die ins Papier geprägte Schattenzeichnung jene von Plinius d. Ä. überlieferte antike Legende von der Erfindung der Malerei, nach der ein Mädchen aus Korinth am Vorabend der Abreise ihres Geliebten, von der der Jüngling nicht mehr zurückkehren wird, dessen Schatten mit einem Stift auf einer Wand nachzeichnet. Das Begehren motiviert die junge Frau im Bild festzuhalten, was der Dinge Lauf ihr auf immer entziehen wird. Die Liebe und der Tod, die Steigerung des Lebens und dessen Abwesenheit, beide sind in der Kunst unentwirrbar ineinander verflochten. Bei Astrid Köppe figuriert das Schattenzeichen keinen Geliebten, und doch hat es viel damit gemein: denn in der fast unmerklich aufscheinenden Form wird jene Kraft des Ästhetischen virulent, die man seit Jahrtausenden Schönheit nennt. Und das Schöne ist das, was wir bei uns haben wollen.
Andreas Rauth

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Anmerkungen   [ + ]

1. Hans Blumenberg, »Nachahmung der Natur«, in ders., Wirklichkeiten in denen wir leben, Stuttgart: Reclam 2012, S.55–103, hier S.93.