Norbertine Bresslern-Roth. Tiermalerin

Im Rahmen des diesjährigen Tierschwerpunktes des Universalmuseums Joanneum widmet sich die Neue Galerie Graz in einer umfassenden Personale dem malerischen und grafischen Werk der steirischen Künstlerin Norbertine Bresslern-Roth, die zeitlebens eine gegenständliche Kunstauffassung zwischen Jugendstil und Realismus vertrat und dabei insbesondere den Fokus auf die Darstellung des Tieres, vom Haustier bis zum Wildtier, richtete.

Norbertine Bresslern-Roth, 1891 in Graz geboren, wurde aufgrund ihrer Begabung bereits im Volksschulalter vom Porträt-, Landschafts-und Tiermaler Alfred Schrötter von Kristelli (1856–1935) in ihrer Heimatstadt unterrichtet und gefördert. Ihre große Zuneigung, ihr Mitgefühl, aber auch ihr naturwissenschaftliches Interesse für Tiere führten die Künstlerin zu einer immer stärker werdenden Auseinandersetzung mit dem Genre der Tiermalerei. Auf Empfehlung Schrötters verbrachte sie die Sommermonate zwischen 1907 und 1911 im damals florierenden Künstlerort Dachau bei München, um an der privaten Tiermalschule von Hans von Hayek (1869–1940) zu studieren. Im Herbst 1911 übersiedelte sie zum weiteren Studium nach Wien, wo sie gemeinsam mit ihren Grazer Künstlerkollegen Fritz Silberbauer, Franz Hofer und Leo Grimm von dem angesehenen Landschaftsmaler, Radierer und Fotografen Ferdinand Schmutzer (1870–1928) unterrichtet wurde. Zunächst erhielt sie Privatunterricht an dessen Damenschule, dann in seinem Atelier an der Akademie, obwohl Frauen offiziell erst ab 1921 zum Studium zugelassen waren. 1914 erfolgte ihr künstlerischer Durchbruch, als sie sich an einer Ausstellung der Wiener Secession mit einem Märchenfries beteiligte, den ihr Lehrer Schmutzer und seine kunstsinnige Gattin Alice, geb. Schnabel – Schriftstellerin und Journalistin der Neuen Freien Presse – für das Kinderzimmer ihrer Villa in Wien-Währing in Auftrag gegeben hatten.

Häufig besuchte die junge Künstlerin außerdem zu Studienzwecken den Tiergarten von Schönbrunn, wo sie mit den sogenannten »Schönbrunnmalern« wie Carl Fahringer, Ludwig Heinrich Jungnickel und dem Steirer Franz Roubal in Kontakt kam. 1917 kehrte sie nach Graz zurück, wo sie erfolgreich als freischaffende Tiermalerin, Porträtistin und Illustratorin bis zu ihrem Tod im November 1978 lebte. Gemeinsam mit ihrem Ehemann Georg Ritter von Bresslern und Sternau (Wien 1892 – Graz 1952), dessen Namen sie nach der Heirat 1919 als Doppelnamen führte, unternahm sie zahlreiche Reisen zu europäischen Tiergärten, wo nach genauer Beobachtung der Anatomie, Physiognomie und Bewegungsabläufen der Tiere unzählige Aquarelle und Zeichnungen entstanden. Diese Studienblätter dienten ihr als Vorlageblätter zur Realisierung ihrer zum Monumentalen tendierenden Ölgemälde, die aufgrund einer spezifischen Grundierung der Jute ein weichsamtiger, freskoartiger Duktus charakterisiert.

Georg Bresslern, selbst ein passionierter Fotograf, der sich beruflich ausschließlich der Förderung und Organisation der künstlerischen Karriere seiner Frau widmete, unterstützte sie bei der technischen Umsetzung ihrer zahlreichen Linolschnitte. Diese erschienen ab 1921 bis 1952 in hohen Auflagen, zumeist mit Tiermotivik, stilistisch in einer am Japonismus der Jahrhundertwende orientierten Kunstauffassung, die ihr weltweite Anerkennung und große Verkaufserfolge einbrachten. Daneben schuf sie im Auftrag deutscher und österreichischer Verlage auch Illustrationen für literarische Werke, wie zu H. J. C. Grimmelshausens Simplicissimus, zu Oscar Wilde, Marie Ebner v. Eschenbach oder Emil Ertl sowie für viele Sagen-, Märchen-, Schul-, Lehr-und Kinderbücher und für Natur-und Jagdzeitschriften. Einen weiteren Themenkreis bilden ab der Mitte der 1920er-Jahre Szenen aus dem Leben der Einwohner der Südseeinseln, Afrikas, von Nordsee-Regionen und der Mongolei, in denen ihr Hang zur Narration und eine akzentuierte Farbigkeit im Kolorit besonders hervortreten. Die Südseebilder verweisen auf Bresslern-Roths romantische Vorstellung einer scheinbar paradiesischen Lebenswelt, in der die Menschen im Gegensatz zur westlichen Zivilisation in Übereinkunft und Harmonie mit der Natur, der Tier-und Pflanzenwelt, in einer Art Arkadien leben.

Natur, Symbolik und Exotismus

Diese Sehnsucht nach dem Einklang von Leben und Natur hatte um 1900 viele Künstler wie Gauguin und Pechstein bewogen, ihr Exilparadies in der Südsee zu finden. Die ornamental geprägten Kompositionen dieser farbenprächtigen Bilder zeigen Tiere und Pflanzen mit friedlich anmutenden Menschen oder auch Jagdszenen voll sinnlicher Präsenz. Sie entspringen weitgehend der Fantasie der Malerin, da sie außer nach Libyen im Jahr 1928 nie mehr eine Fernreise unternommen hat. Die Aktmodelle für diese exotisierende Motivik hatte Bresslern-Roth im Freundeskreis gefunden. Anregungen für die Thematik schöpfte sie nicht aus Interesse für primitive Volkskunst, wie es bei vielen Künstlern der frühen Avantgarden, beispielsweise Picasso oder Nolde, der Fall war, sondern sie beschwört frei assoziierend eine paradiesische Idylle, angeregt durch populäre Reiseliteratur, Filme oder die sogenannten »Völkerschauen« und »Kolonial-Ausstellungen«. Diese Schauen waren Anfang des 20. Jahrhunderts bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges in Europa äußerst beliebt und weit verbreitet – auch auf der Grazer Messe. Gezeigt wurden die ethnischen Gruppen und ihre traditionellen Tänze, Rituale und Bräuche vor allem in Tiergärten, auch im Schönbrunner Zoo und im Prater. Inspirationsquellen bildeten jedoch auch die Standardwerke der Tierliteratur, die Anfang des 20. Jahrhunderts in keinem bürgerlichen Haushalt fehlten, wie Brehms Tierleben oder Ernst Haeckels Kompendium Kunstformen der Natur. Auch die damals populäre Reiseliteratur und -filme, beispielsweise die des österreichischen Ethnologen Hugo Bernatzik (Gari-Gari, 1929) waren ihr vertraut. Mit etlichen zu ihrer Zeit überaus populären Tierschriftstellern, -fotografen und Filmemachern pflegte sie Kontakt, darunter Paul Eipper, Richard Katz und Bernhard Grzimek (Serengeti darf nicht sterben, 1959), vor allem aber mit der berühmten Fotografin Trude Fleischmann verband sie eine enge Freundschaft.

Kunsthistorische Neupositionierung

Die Ausstellung versucht die Künstlerin anhand der aktuellen Quellenlage neu zu positionieren und ihr Werk im kunst-und zeithistorischen Kontext zu reflektieren. Dabei werden die 1930er-Jahre und die Kriegsperiode, die sie an der Seite ihres halbjüdischen Ehemanns verbracht hat, genauer überprüft. In der neueren Literatur wurde in einigen Bildern von Bresslern-Roth eine regimekritische Haltung durch camouflierte Malweise vermutet, obwohl sie auch eindeutige, dem politischen System angepasste Aufträge für Buchillustrationen angenommen und an vielen der sogenannten »Ostmark-Ausstellungen«, die der NS-Ideologie dienten, in verschiedenen deutschen Städten teilgenommen hatte.

Bisherige Publikationen und Ausstellungen haben nur eine dekorativ-beschreibende Betrachtungsweise und die werktechnische Aufzählung des Œuvres von Bresslern-Roth wiedergegeben bzw. zuletzt versucht, sie während der dunklen Periode der NS-Zeit zu positionieren. Anhand einer repräsentativen Auswahl aus ihren mehr als 500 Ölbildern, Miniaturmalereien, Linoldrucken, Zeichnungen und Aquarellen aus dem Besitz der Neuen Galerie Graz, der Albertina und des GrazMuseums, vor allem aber aus Privatsammlungen, versucht diese Ausstellung unter Aufarbeitung der bekannten und zugänglichen Fakten zum Leben und Wirken der Künstlerin die Lücken in ihrer Biografie zu schließen und ihr Werk einer wissenschaftlichen Neubewertung zu unterziehen.

Neben der Tier-und Südseemalerei bilden ihr illustratorisches Werk – wobei sie auch selbst Texte für Kinderbücher verfasst hat – sowie ihre Auftragsarbeiten, beispielsweise für die Handelskammer Graz, vor allem aber für das Landesmuseum Joanneum, weitere Ausstellungsschwerpunkte. Eines der 12 Dioramen (»Auwald«), die sich bis 2002 in der naturkundlichen Schausammlung des Joanneums befanden und für die sie die Hintergrundtableaus entworfen hatte, wurde für die Ausstellung rekonstruiert. Oftmals arbeitete sie nach Präparaten in der Zoologischen Abteilung, von denen in der Ausstellung einige zu sehen sind. Auch ihr für die damalige Zeit untypisches Rollenbild als international erfolgreiche und wertgeschätzte Künstlerin abseits der Metropole Wien wird beleuchtet, und auch der Frage nach der Signifikanz der Tiermalerei und -bildhauerei wird nachgegangen, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts trotz der starken Konkurrenz durch das neue Medium der Fotografie erfolgreich bestehen konnten. Positionen wie Ludwig Heinrich Jungnickel, Carl Olof Petersén, Renée Sintenis, Franz Barwig d. Ä., oder der aktuell wiederentdeckte Rembrandt Bugatti belegen dies eindrucksvoll.

Malerische Qualität im naturwissenschaftlichen Kontext

Das künstlerische Œuvre von Norbertine Bresslern-Roth muss also einer Neubewertung zugeführt werden, und zwar auch unter Herausarbeitung des Aspekts der Scientific Visualisation and Illustration, da sie vor, aber auch nach dem Zweiten Weltkrieg zahlreiche Aufträge zur Illustration von Lehrbüchern und naturwissenschaftlichen Zeitschriften ausgeführt hatte. Jahrhundertelang wurden naturkundliche Bücher, medizinische, biologische und geografische Schriften, Lexika und Atlanten von Künstlerinnen und Künstlern illustriert. Mit der Moderne und der Autonomisierung der Kunst, mit der bahnbrechenden Erfindung der Fotografie ist diese Tradition implodiert. Buchillustrationen – wie überhaupt das künstlerische Arbeiten mit Illustrationscharakter – waren nur mehr von sekundärer Bedeutung. Im Zuge der sogenannten Artbased Research, in der die computerbasierten bildgebenden Verfahren in den Naturwissenschaften, in der Medizin und Molekularbiologie bis zur Genetik eine entscheidende Rolle spielen, kam es zu einer Wiederentdeckung der wissenschaftlichen Illustrationen von Charles Darwin, Carl von Linné, Raoul H. Francé, Ernst Haeckel bis zu den Pflanzenfotografien von Karl Blossfeldt. Der Aspekt des wissenschaftlichen Blicks auf das Objekt, also auf das Tier, aber auch auf die Fauna sowie auf ethnologische Gegenstandsbezüge in den Bildern von Bresslern-Roth ist bisher kaum Bedeutung zugemessen worden. Ihre Kunst muss daher nicht nur nach den formalen und malerischen Qualitäten befragt werden, sondern auch nach deren Relevanz im naturwissenschaftlichen Kontext, denn ihre Werke wurden sowohl im Kunstmuseum als auch im Naturkundemuseum gezeigt. Sie erfüllen also zwei Funktionen: als autonome Kunstwerke und als wissenschaftliche Bildgebung.

Kuratiert von Christa Steinle

  • Universalmuseum Joanneum
    Mariahilferstraße 4, 8020 Graz
  • Neue Galerie Graz
    Joanneumsviertel, 8010 Graz
  • Öffnungszeiten: Di–So, 10–17 Uhr
  • www.museum-joanneum.at