Netz. Vom Spinnen in der Kunst

Die Kunsthalle zu Kiel präsentiert im Rahmen der Ausstellung Netz. Vom Spinnen in der Kunst rund 55 Werke von 25 zeitgenössischen Künstlerinnen und Künstlern sowie einen historischen Exkurs mit graphischen und naturkundlichen Werken des 16. bis 19. Jahrhunderts.

Netz_-Saraceno

Tomás Saraceno
Large Magellanic Cloud 1 Nephila –
4 Cyrtophora citricola 1t, 2013 Spinnennetz,
Kubus aus Acrylglas, Holzgestell,
LED-Beleuchtung, 45 x 55 x 55 cm
Courtesy Tomás Saraceno und Esther Schipper,
Berlin. © Tomás Saraceno, Foto: Andrea Rossetti

Im Mittelpunkt der Ausstellung steht die Idee des Netzes: Die ausgestellten Werke zeigen natürlich gesponnene Spinnennetze, verknüpfe Begriffe und Daten in Diagrammstrukturen oder arbeiten mit den flexiblen Daten des Internets. Naturwissenschaftlich- mathematische Fragestellungen und kreative Formen von Codierungen spielen dabei ebenso eine Rolle wie die sozial-politischen Dimensionen von Netzwerken. Netz widmet sich damit Fragen unserer Gegenwart und folgt zugleich einem jahrtausendealten Thema – denn das Netz ist eine Metapher, die bereits seit der Antike Gegenstand künstlerischer Fragen ist.

Die Künstler Dan Perjovschi, Philip Topolovac und Otto Zitko haben eigens für die Kunsthalle zu Kiel Werke entwickelt: Dan Perjovschi spannt politische Verknüpfungen und vernetztes Denken in seiner wandfüllenden Collage The July Report auf: Zeichnungen direkt auf der Wand kombiniert der Künstler mit solchen auf Papier sowie Drucksachen. Otto Zitko schafft im Foyer eine zeichnerische Netzstruktur, die über Wände springt und den Raum gleichermaßen klammert und sprengt. Philip Topolovac provoziert mit dem Werk Aggregat 20 die Vorstellung, eine hinter der Wand liegende, technoide Macht breite sich nach eigenen Regeln aus.

Das natürliche Netz der Spinne ist Gegenstand der Werke von Tomás Saraceno. Der Künstler lässt verschiedene Spinnenarten nacheinander an einem gemeinsamen Netz spinnen und definiert die jeweilige Dauer. Die abgeschlossenen Werke wirken wie filigrane, magische Bauten, sie sind architektonische Utopien und Sinnbilder sozialer Strukturen. Die Entstehung einer solchen Arbeit lässt sich während der Laufzeit der Ausstellung in der Kunsthalle beobachten: eine Spinne wird weiter an einer hybriden Netzstruktur spinnen.

The Opte Project von Barret Lyon visualisiert den gesamten Datenverkehr innerhalb von 24 Stunden im Internet. Mittels komplexer Algorithmen sowie Milliarden gesammelter Verbindungsdaten und leistungsfähiger Graphikanwendungen aus biologischen und mathematischen Zusammenhängen visualisiert Lyon den Datenverkehr zwischen den Standorten der einzelnen Rechner: grüne Linien zeigen beispielsweise europäische Server, blaue die nordamerikanischen und die weißen unbekannte IP-Adressen.

bit.fall von Julius Popp arbeitet mit starken Kontrasten. Digitale Techniken – Computer, Internet und Steuerungseinheit – treffen auf natürliche Elemente wie Wasser, Licht, Bewegung, Kreislauf und verbinden sich zu einer ästhetisch-sinnlichen, fast meditativen Einheit. Der Algorithmus, der Julius Popps Werk zugrunde liegt, selektiert unablässig Schlagwörter aus Nachrichtenseiten. Aus Wassertropfen, die fünf Meter in den Ausstellungsraum hinabfallen, formen sich die Worte für einen kurzen Moment. Der digitale Datenstrom des World Wide Web wird zum Wasserfall, die Informationsflut zu einem Vorbeirauschen.

Die Installation Proximity/Repulsion von Felix Bonowski wird erst in der Interaktion mit dem Besucher deutlich sichtbar. Computergenerierte, fortlaufend herabfallende Punkte verdichten und teilen sich durch den Schattenwurf des Betrachters. Ihnen liegen Algorithmen und Berechnungen zugrunde, die auf Anziehung und Abstoßung (Proximity/ Repulsion) beruhen.

In einem eigenen Kabinett werden Werke seit dem 16. Jahrhundert präsentiert, darunter Kupferstiche und Holzschnitte sowie historische Belege aus der Naturkunde. Das Netz spannt sich hier über verschiedene symbolische und religiöse Funktionen auf. Es wird beispielsweise als Sinnbild des Lebensfadens oder als Ausdruck des Maßhaltens in der christlichen Lehre dargestellt und findet sich im perspektivischen Raster genauso wieder wie in der Formenvielfalt der Pflanzenwelt.

Die Künstler der Ausstellung:

Monica Baer, Felix Bonowski, Edward Burtynsky, Silvie Deutsch, William Engelen, Daniel Franke und Cedric Kiefer, Peter Kogler, Pia Linz, Barrett Lyon, Jenny Michel, Trevor Paglen, Dan Perjovschi, Julius Popp, Jens Risch, Tomás Saraceno, Julia Schmid, Chiharu Shiota, Marcus Steinweg, Thomas Stellmach und Maja Oschmann, Philip Topolovac, Clement Valla, Jorinde Voigt, Otto Zitko

Erhard Schön, Petrarcameister, Giovanni Paolo Cimerlini, Jost Amman, Hans Vredeman de Vries, Matthäus Merian der Ältere, Gregor Fentzel, Ernst Ludwig Creite, Johann Rudolf Metzger, Bernhard Rode, Theodor Rehbenitz, Friedrich Olivier, Herbarien

Zur Ausstellung ist ein Katalog erschienen. Die Publikation umfasst neben einem einführenden Text einen assoziativen Glossar zum Netz-Begriff mit 49 Beiträgen:
Herausgeber: Anette Hüsch
320 Seiten, 61 Farbabbildungen
ISBN 978-3-7356-0020-2 (Buchhandelsausgabe) ISBN 978-3-937208-435 (Museumsausgabe) Kerber Verlag, Bielefeld
24,- Euro, Deutsch / Englisch
 
www.kunsthalle-kiel.de