Michael Najjar. Outer Space

Das Firmament ist seit Menschengedenken und kulturübergreifend Deutungsobjekt, Projektionsraum und Sehnsuchtsort. Die Sterne dienen der geografischen Orientierung, astronomische Ereignisse werden zur Erklärung irdische Vorgänge herangezogen, sie sind Gegenstand der Kulturproduktion aller Disziplinen.

Die Werkgruppe outer space von Michael Najjar befasst sich mit den neusten Entwicklungen in der Weltraumfahrt und deren Einfluss auf unser zukünftiges Leben auf der Erde und im erdnahen Orbit. Wir befinden uns am Anfang eines neuen Weltraumzeitalters: Weltraumflüge für jedermann werden in nächster Zukunft möglich. Indem wir unseren Heimatplaneten verlassen, zum Mond oder anderen Planeten fliegen, verändern wir unser Selbstverständnis in Bezug auf fundamentale Fragen, wer wir sind und woher wir kommen. Der Versuch ins Weltall zu dringen offenbart die angeborene Neugierde, die in uns steckt, unseren Wunsch Grenzen zu erweitern und zu überschreiten. Aber es geht nicht nur darum, die Erde zu verlassen, sondern auch darum über unsere Welt nachzudenken und was sie für uns und zukünftige Generationen bedeutet.

Die neuen Entwicklungen finden auf vielfältigen Gebieten statt: neue Raumschiffe für kommerzielle und private Nutzung, ultraleichte Mikrosatelliten, super hochauflösende Weltraumteleskope, Interkontinentalflüge im erdnahen Orbit, Weltraumhotels, Aufzüge in den Weltraum, Abbau von Rohstoffen auf dem Mond und auf Asteroiden oder bemannte Flüge zum Mars sind nicht länger nur Science Fiction, sondern für Wissenschaftler, Forscher und Unternehmer ein realistisches Szenario. Der private Weltraumtourismus wird ein entscheidender Faktor für die Weiterentwicklung und Durchführung zukünftiger Weltraumflüge sein. Er wird die Industrie vorantreiben und die Entwicklung von neuen, sicheren und grünen Energiekonzepten für den bemannten Weltraumflug beschleunigen. Der Weltraum nimmt einen immer größeren Stellenwert in unserem täglichen Leben ein, er wird zu einem natürlichen Bestandteil unserer alltäglichen Infrastruktur.

Die Werke der Ausstellung thematisieren nicht nur diese technologischen und gesellschaftlichen Entwicklungen. Eine zentrale Erfahrung im Rahmen dieser Serie wird der eigene Weltraumflug des Künstlers sein. Michael Najjar reservierte 2011 einen Flug bei Virgin Galactic, Richard Bransons privatem Unternehmen für die bemannte Raumfahrt. Als einer der »pioneer astronauts« wird er selbst mit einem Raumschiff ins All starten und damit der erste Künstler im All sein.

Zur Vorbereitung hat Michael Najjar unter anderem im russischen Gagarin Cosmonaut Training Center (GCTC) in Star City ein mehrstufiges Trainingsprogramm absolviert. Das Training beinhaltet Stratosphärenflug, Zero-G Flug, Zentrifugaltraining, Spacewalk Simulation im Hydrolab, Trainingssimulationen in der Soyuz Kapsel und vieles mehr. Daneben nimmt der Künstler als Proband am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Köln an medizinischen Studien teil. Die abschließende Trainingseinheit findet dann im Vorfeld seines Weltraumfluges mit Virgin Galactic am Spaceport America in der Wüste von New Mexico statt.

Die Hybridfotografien und Videoarbeiten, die im Rahmen der Werkgruppe entstehen, thematisieren die Entwicklungen in der Weltraumtechnologie, beinhalten aber auch den performativen Aspekt der Trainingseinheiten, die Michael Najjar auf den Flug ins All vorbereiten.

Die Arbeit muse (2014) beschäftigt sich mit einem Teleskop zur Erforschung anderer Galaxien, dem »Multi Unit Spectroscopic Explorer (MUSE)«. Das Bild zeigt ein verwirrendes Geflecht aus Leitungen an einer Aluminiumkonstruktion. Die Funktionen bleiben rätselhaft. Im Bildzentrum erscheint doppeldeutig das Wort »muse«. Werke wie space debris I (2012) oder serious anomaly (2015) beschäftigen sich mit den Gefahren, Rückschlägen und Problemen, die bei der Eroberung zu überwinden sind, aber auch erst erzeugt werden. So ist space debris eine Visualisierung der Weltraumtrümmer im Orbit, die mit so hoher Geschwindigkeit um die Erde kreisen, dass bereits kleine Teile von wenigen Zentimetern Größe Raumfahrzeuge durchschlagen können.

Ein wichtiges und immer wiederkehrendes Merkmal in den Werken von Najjar ist die Relation zwischen realistischen Elementen und fiktiver Realität. Dies wird gerade in der Arbeit liquid gravity (2013) deutlich. In einem Raum aus Metall schwebt ein Mensch in einem Astronautenanzug, kleine Luftbläschen steigen auf, in einem Bullauge ist unser Planet in weiter Ferne zu sehen. Diese Arbeit zeigt in ihrer realen »Unmöglichkeit« besonders die Sehnsucht nach Aufbruch und den Drang nach Entdeckungen trotz der Verlorenheit und Einsamkeit in den lebensfeindlichen Weiten des Alls.

Michael Najjar wurde 1966 in Landau geboren und lebt in Berlin. Von 1988 bis 1993 studierte er an der Bildo-Akademie für Kunst und Medien in Berlin. Najjar studierte dort das experimentelle und interdisziplinäre Arbeiten mit den Medien Fotografie, Video und Computer.

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