Willhelm Busch/ Jonas Lauströer, Hans Huckebein Renate Raecke / Jonas Lauströer, Reineke der Fuchs
Kraft Der Bilder: Jonas LaustrÖer belebt Klassiker bei mine edition
Von Bettina Wegenast
In seiner langen Verlegertätigkeit hat Michael Neugebauer immer wieder neue Talente aufgespürt und mit ihnen oft ganz erstaunliche Buchprojekte entwickelt. So auch mit dem jungen Hamburger Illustrator Jonas Lauströer. Eine ungemein belebende Zusammenarbeit.
Hans Huckebein
Hier sieht man Fritz, den munteren Knaben
Nebst Huckebein, dem jungen Raben.
Und dieser Fritz, wie alle Knaben,
Will einen Raben gerne haben.
Soweit so Busch. Doch wir ahnen: die Geschichte wird kein gutes Ende nehmen.
Der Tisch ist glatt – der Böse taumelt –
Das Ende naht – sieh da! Er baumelt.
Man kann nun Hans Huckebein einerseits ganz nüchtern als Beispiel für inkompetente Tierhaltung lesen oder aber als Parabel auf die Unfähigkeit von Zivilisation, mit dem ganz und gar nicht edlen Wilden umzugehen. Oder als Warnung vor dem Dämon Alkohol, denn – bei Busch keine Ausnahme – der Schnaps ist es, der dem unglücklichen Protagonisten sein Genick bricht:
Jetzt aber naht das Malheur,
Denn dies Getränk ist Likör.
—–
Der Vogel, welcher sonsten fleucht,
Wird hier zu einem Tier, was kreucht.
Den Rahmen des Bilderbuchs sprengen
Soweit so schlecht. Wie wir wissen, hat Wilhelm Busch seine (hinter-)listigen Texte eng mit kongenialen Bildern verwoben. So ist es ein riskantes Unterfangen, Buschs Bild/Textgeflechte auseinander zu dröseln und neu zu interpretieren. Jonas Lauströer ist in seiner Diplomarbeit dieses Risiko eingegangen und herausgekommen ist, nicht wie vielleicht zu erwarten gewesen wäre, eine Verbeugung vor einem großen Meister, sondern ein ganz eigenständiges, hoch energetisches Kunstwerk, in dem der Text, allein durch die Kraft der Bilder ins Holpern kommt. Denn Lauströer ist nicht nur ein brillanter Zeichner mit einem stupenden Gespür für Räume und Figuren, mit Mut zu Flächen, eigenwilligen Perspektiven und Sinn für schwarzen Humor: mit unbändiger Kraft lässt er seine Figuren lebendig werden, den engen Rahmen des Bilderbuchs sprengen und in den Raum hinausragen. Augmented Reality in 2 D sozusagen.
Reineke Fuchs
Dies gelingt ihm, wenngleich auf andere Weise, auch in seinen Illustrationen zu Reineke Fuchs. Seine Bilder übertragen die Fabeln zwar nicht direkt ins Heute, aber in eine theatral inspirierte Aktualität. Lauströers Fuchs ist ein genialer Manipulator und trägt sowohl Karohemd, als auch Anzug mit der gleichen Selbstverständlichkeit. Renate Raecke rettet in ihrer gelungenen Nacherzählung den Fuchs vor dem Galgen und begründet dies mit einem treuherzigen »Narren und Schelme sind vom Aussterben bedroht – darum soll hier an einen der Grossen der Zunft erinnert werden«. Schaut man aber aufmerksam in die Runde, so kommt man doch wohl eher zum Schluss, dass es den skrupellosen »Narren und Schelmen« vom Kaliber eines Reinekes gelungen ist, sich heute eine größere Plattform als jemals vorher zu verschaffen. Den Übeltäter vor dem Galgen zu retten mag zwar als souveräner Akt der Gnade erscheinen, aber bei Lauströers Fuchs liegt der Verdacht nahe, er selbst habe zunächst seine Verurteilung, dann die Rettung veranlasst, um nun einen erklecklichen Wettgewinn einzustreichen oder andere Vorteile zu genießen … ein genialer Manipulator eben.
Willhelm Busch/ Jonas Lauströer: Hans Huckebein
mine edition 2010
25 x 25 cm 80 Seiten durchgehend farbig illustriert, cellophanierter Pappband
EUR 16,95
Renate Raecke / Jonas Lauströer: Reineke der Fuchs,
mine edition 2012
29,3 x 24 cm 48 Seiten durchgehend farbig illustriert, cellophanierter Pappband
EUR 14,95
www.jonas-laustroeer.de | mine edition
Alle Abbildungen © Jonas Lauströer und mine edition
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