Sein Zeichenstil ist unverkennbar: die schwarze, klare Linie, die er unendlich zu fächern und zu konstruieren versteht, das kunstvolle Spiel der Schatten in den Grenzbereichen zwischen Realität und Imagination. Der Franzose Marc-Antoine Mathieu gilt als einer der innovativsten Comic-Schöpfer der Gegenwart. Seit 30 Jahren veröffentlicht er Alben, mit denen er die Regeln und Codes des Genres bricht und ändert. Mit präzisen Zeichnungen und tiefgründigem Sprachwitz bieten sie den Leserinnen und Lesern ungewohnte Perspektiven an und lenken den Blick auf die Rätselhaftigkeit der Dinge.
Die Ausstellung Kartografie der Träume. Die Kunst des Marc-Antoine Mathieu führt in das Werk dieses außergewöhnlichen Erzählers ein und erweitert die Leseerfahrung der Irritation, des Labyrinthischen und Surrealen in den (Museums-)Raum hinein. Vom 3. Juni bis zum 15. Oktober 2017 baut die Architektur von Kartografie der Träume den Besucherinnen und Besuchern eine Brücke zu Mathieus einzigartigem Comic-Kosmos.
Mit raumgreifenden Installationen und Adaptionen von Motiven des Durch- und Übergangs schließt sie an die verschachtelten, selbst- und metareflexiven Erzählstrukturen an und schafft einen sinnlichen Erfahrungsraum, der die erzählerische Qualität und Imaginationskraft von Mathieus Comic-Werk intensiv erlebbar macht.
Eine Auswahl von mehr als 50 Originalzeichnungen bildet einen Querschnitt aus den Alben, die Mathieu als Zeichner, Texter und Szenarist seit Beginn der 1990er Jahre gestaltet hat. Daneben präsentiert die Ausstellung unveröffentlichte Sequenzen aus seiner aktuellen Produktion sowie Bronzeplastiken und Animationsfilme, die alternative Zugänge zum Werk des Autors ermöglichen und seine erzählerische Palette vertiefen.
Mathieus Comic-Protagonisten sind Forschungsreisende in einer kargen, imaginären Welt, stoisch folgen sie ihrem Weg durch veränderliche Topographien. Übervölkerte, vermauerte oder aufbrechende Stadträume, leere, endlose Landschaften, Schluchten, Schleifen und Wirbel bieten keinen Halt oder Sicherheit, sie verändern sich unentwegt und (alp)traumartig. Dabei kombiniert Mathieu Sprache, Bild und Handlung auf spielerische Weise immer wieder neu und hinterfragt ihre Funktionsweisen für unser Bewusstsein.
Alles kann bei ihm zum Material der Erzählung werden: Die vier Komplementärfarben, die durch ihr plötzliches Auftauchen die Weltsicht des Helden erschüttern. Der Fluchtpunkt, der, einmal verloren, den Protagonisten auf die Suche nach der Perspektive schickt. Oder die in ihrer Reihenfolge vertauschten, herausgerissenen oder gänzlich fehlenden Seiten, die dem Helden wie den Lesenden Rätsel aufgeben.
Mathieu bezieht die Rezipienten seiner Arbeiten stets mit ein, lässt sie etwa zu einer 3-D Brille greifen, um zusammen mit den Figuren in die dritte Dimension zu reisen. Oder er verschränkt Erzählung und Realität unvermittelt ineinander, beispielsweise wenn die Exkursion des Protagonisten Julius Corentin Acquefacque in die Welt seines Zeichners über eine aus dem Album geschnittene und sich beim Umschlagen der Seite in den realen Raum drehende Spirale führt.
- Museum Angewandte Kunst
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