Jörn Vanhöfen
Loop

Es sind die kleinen und die gigantischen Umwälzungen, die Materialmetamorphosen, von denen Jörn Vanhöfens Bilder künden. Die Gletscherschmelze ist nicht aufzuhalten, auch nicht durch kunstvoll angebrachte Dämmschichten. Erdflächen werden freigesetzt, die Jahrtausende lang bedeckt waren. Kontinente treten zutage, während ganze Küstenstriche von der Landkarte verschwinden werden. Aber die Zukunft ist hier keine apokalyptische Vision. Es ist die Vision einer Natur, die sich in einem posthumanen Zeitalter ihren Raum auf zwingende Weise zurückerobern wird.

Nicht nur der Mensch, auch das Menschengemachte zerfällt wieder zu Staub. Der anorganische Teil der Natur bildet keine Ausnahme vom allgemeinen Geschehen des Werdens, Vergehens und Wiederentstehens. Solange diese Vorgänge ablaufen, solange Gesteine entstehen, verwittern, abgetragen und neu gebildet werden, wird der Planet Erde leben. Mögen die Staudämme, Tunnel und Verbauungen unwegbarer Gebiete wie die der Alpen noch so unverrückbar dastehen, mögen diese gigantischen Monolithe herausragen wie Fremdkörper oder sich gar optisch harmonisch in die Gebirgslandschaft einfügen – ihre Endlichkeit ist bereits in ihrer Oberfläche eingeschrieben. Wenn Beton und Asphalt aus zermalmtem Gestein ersteht, so zerfällt es auch wieder zu Gestein – früher oder später.

Optimistische Metaphern für den natürlichen Zyklus von Konstruktion und Dekonstruktion waren bereits in Vanhöfens Serien Disaster und Aftermath angelegt, wo das vom Menschen Konstruierte in kleine Teile zerfällt, aus dem neue Teile konstruiert werden. Die häufig auf Zentralität ausgerichteten, Monumentalität und Erhabenheit erzeugenden Kompositionen verweisen so auf den Kreislauf aller Dinge und lassen bewusst assoziativen Freiraum, bieten Interpretationsmöglichkeiten und erwecken Neugierde. Man verbleibt im Unwissen über die inhaltlichen Hintergründe und fantasiert das Abwesende.

Vanhöfen setzt Bildstrategien der Romantik ein, ohne romantische Bilder zu machen. Im spannungsreichen Wechselspiel von Schrecken und Schönheit, gar von Entsetzen und Verführung hilft die Schönheit als ästhetisches Muster den Inhalt zu transportieren, indem sie den Betrachter in den Bann zieht. Das Verführerische wird zum Reiz des Grauens, auch wenn sich die vordergründigen Spuren des Erhabenen als bewusst gelegter Irrweg entpuppen. Hier liegt der Grundstock der Bildsprache Jörn Vanhöfens begründet: Sie zeichnet sich aus als überindividuelle Dokumentarfotografie, die in der distanzierten Betrachtungsweise Empathie einfordert. Eine nüchterne Beschreibung historischer Missstände, die keine moralische Bewertung impliziert. Die kritische Vision einer apokalyptischen Zukunft, die nicht im pessimistischen Defätismus endet. Erhabene Landschaftskompositionen mit zarten Farbnotierungen fern jeder Gefühlsduselei. Der Zusammenstoß rasterartig gelagerter Texturen kleinteiliger Details, die im Flächengefüge ein sinnfällig Ganzes ergeben. Ein lebendiger Widerspruch spannungsreicher Ruhe, der allem Sein, allem Werden und Vergehen zugrunde liegt.

Begleitende Veranstaltung:
25. Februar 2015, 19.00 Uhr: Lichtbildvortrag von Beatrice Staib, Kunsthistorikerin: »Scenerie und Naturobjekt«. Die Bedeutung der Fotografie für die erste deutsche Tiefsee-Expedition auf der Valdivia 1898-1899
 
22. April 2015, 19.00 Uhr: Lesung und Gespräch in der Reihe »Literaturhaus der Fotografie«: Abraum. Vom Abtragen und Freilegen. Sabine Scho zu den Bildern von Jörn Vanhöfen. Moderation: Thomas Böhm (radioeins)
 
Um Anmeldung per e-Mail wird gebeten.
 
www.joernvanhoefen.de
www.alfred-ehrhardt-stiftung.de