Bilder, Comic, Graphic Novel – Zur Kultur des Erzählens mit Bildern
Trotz mehr als hundertjähriger Tradition in den USA und selbstverständlicher Zugehörigkeit zur Alltagskultur in Frankreich, Belgien, Italien und Spanien sind Comics in Deutschland nie richtig angekommen. Auffällig ist allerdings, dass die abwechselnd verpönten, dann wieder vom Feuilleton als 9. Kunst hofierten Comicpublikationen, seit ein paar Jahren vermehrt unter dem Label Graphic Novel verlegt werden.
Doch meint Graphic Novel ursprünglich nicht etwas ganz anderes als Comic? Bereits in den 1920er Jahren wird bei textlosen Bilderzählungen von »visual storytelling«, »wordless novels« und »picture writings« gesprochen. 1929 untertitelte Lynd Ward sein erstes, textloses Buch God‘s Man mit A Novel in Woodcuts. Beeinflusst durch den europäischen Expressionismus und die »Bild-Romane« z.B. Frans Masareels, lagen Wards Wurzeln jedoch in der Illustration und Druckgrafik und nicht etwa im Comic-Strip. Sind vielleicht die Illustratoren näher am Literarischen, am Begriff »Novel«, als die klassischen Comiczeichner?
Der mittlerweile in Deutschland arrivierte Begriff »Graphic Novel« scheint mit der ursprünglichen amerikanischen Bedeutung kaum noch etwas gemein zu haben. Jedenfalls gibt es allenthalben Irritationen, was dieses Wort nun meint, wieweit es auslegbar und interpretierbar ist. Die formalen Abgrenzungen zur Buchillustration, Bildergeschichte, Bilderbuch, Comic(-Strip), Fotoroman und die inhaltlichen zur »Autorenillustration«, Literaturadaption /»Classics Illustrated« sind unscharf.
Aber sind Abgrenzungen überhaupt sinnvoll? Bietet der Begriff nicht womöglich eine Vielfalt an Möglichkeiten, neue (alte) Chancen um Geschichten zu erzählen und bildhaften Autorenschaften Freiraum zu geben? Und werden dabei vielleicht allzu oft die narrativen Möglichkeiten einer Zeichnung – eines Bildes – unterschätzt? Oder ist der Begriff Graphic Novel heute ausschließlich reines Marketingmittel, ein Werkzeug der Verlage um Comic im konventionellen Buchhandel zu positionieren, salonfähig und damit besser verkaufbar zu machen?
Es ist an der Zeit, die Defintion des Begriffs »Graphic Novel« nicht mehr nur den Verlagen (also dem Markt) und dem Feuilleton (welches bei der aktuellen Begriffsbestimmung Hand in Hand mit den Verlagen geht) zu überlassen.
Es kommen diejenigen zu Wort, bei denen die visuelle und erzählerische Kompetenz liegt, nämlich die Macher – Künstler, Zeichner, Autoren und Dozenten – die sich in der Praxis aber auch Theorie mit narrativen Formen der Bild- und Bild-Text-Zusammenhänge auseinandersetzen.
Neben der Begriffsklärung, der kulturhistorischen Herleitung der Bezeichnung und einem Blick auf mögliche nationale oder kulturelle Unterschiede in der Definition des Begriffs, will das Symposium Aspekte und Möglichkeiten narrativer Bildinszenierungen aufgreifen. Bilderzählungen und auch Bild-Text-Beziehungen werden unter künstlerischen und wissenschaftlichen, aber auch unter rezeptions- und (markt-)relevanten Gesichtspunkten beleuchtet. Dabei kommen Referenten zu Wort, die interdisziplinär denken, arbeiten und argumentieren.
Eingeladen sind Wissenschaftler, Zeichner, Verlagsvertreter und Feuilletonisten, ihre Positionen und Sichtweisen zu einem Gesamtbild zusammenzutragen.
Den Flyer mit dem vollständigen Programm finden Sie hier.
Gefördert durch PRO*Niedersachsen, dem Forschungsförderprogramm des Landes Niedersachsen.
Das Symposium findet in der Aula der Hochschule für Bildende Künste (HBK) in Braunschweig statt.Johannes-Selenka-Platz 1
38118 Braunschweig www.hbk-bs.de Konzept und Durchführung: Prof. Ute Helmbold und Dieter Jüdt Kontakt: Prof. Ute Helmbold, u.helmbold@hbk-bs.de Die Teilnahme ist kostenlos.
Die Verpflegung erfolgt über die Studierenden und darüber hinaus über die Mensa der Hochschule. übernachtungen können nicht gebucht werden. Die Teilnehmer werden gebeten, sich selbst um übernachtungsmöglichkeiten zu kümmern. Studierende können bei frühzeitiger Anmeldung und nach Kontingent jedoch bei Studierenden der HBK untergebracht werden. Anmeldung per Mail unter d.heiny@hbk-bs.de.
Anfahrt mit Bus M19 (Hauptbahnhof) oder M29 (Hauptbahnhof) oder 641 (PTB) ab Hauptbahnhof bis Johannes-Selenka-Platz.