In einer Doppelausstellung zeigt die Galerie erstererster Arbeiten von Frank Arndt/studio AU und Markus J. Becker, die sich mit Architektur auseinandersetzen.
Frank Arndt zeigt mit den Serien Architekturen die keiner braucht (Abb. rechts) und Amöben farbige Zeichnungen, deren Gemeinsamkeiten in einem sehr weit gefassten Architekturbegriff liegen. Die Architekturen-Serie entstand während eines Aufenthalts im Bergischen Land im vergangenen Jahr als Reaktion auf die gesichtslose Fertigbau-Architektur der Gegend. Dabei hat Arndt sich auf wenige prägnante Details konzentriert, die er isoliert und auf Kartons im Format 30×40 gezeichnet hat.
Die reduzierten Formen treten in ein spannungsvolles Verhältnis mit dem Format und das strenge Raster, in dem er die Arbeiten anordnet, betont den seriellen Charakter und die freie Kombinierbarkeit der Motive; gleichzeitig entfaltet sich ein wirkungsvoller Kontrast zu deren naiven Charme. Die zum Teil sehr vertrauten, dann aber auch wieder willkürlich wirkenden Formen scheinen einem geheimen Formprinzip zu gehorchen, das zu ergründen der Betrachter sich herausgefordert fühlen kann.
In der Amöben-Serie arbeitet Frank Arndt mit den gleichen Materialien – Marker-Zeichnung auf Bristol Karton. Das Formenrepertoire wird aber noch weiter reduziert und auch die Idee serialisiert: alle verwendeten 36 Farben sollen sich ein Mal gegenüber liegen. Daraus ergibt sich eine Summe von 1296 Bilderreihen, die in den nächsten Monaten vervollständigt werden.
Der Titel traces in structure ist ein erster Hinweis auf die organische Synthese zwischen Architektur und abstrakter Kunst, wie sie der in Berlin lebende Designer, Grafiker und Zeichner Markus Johannes Becker in seinen Tuschearbeiten anstrebt. Organisch ist diese Synthese, weil damit kein fixer Endzustand erreicht ist, sondern eine lebendige Form, die sich – je nach Wahrnehmung – vielfältig weiterentwickeln kann. Die Kompositionen oszillieren – sozusagen zwischen »traces« und »structure«, zwischen Dynamik und Statik, zwischen Chaos und Ordnung. Es ist wichtig, sich vor Augen zu halten, dass beide Pole aufeinander angewiesen sind. Das Chaos ist nicht bewohnbar, es braucht Form, Struktur, Gestalt. Jedoch braucht jede Ordnung Spuren von Chaos, um entwicklungsfähig zu bleiben; im Chaos liegt die schöpferische Potenz. So lassen sich bei genauer Betrachtung in den Zeichnungen Achsen, Körper und Muster erkennen, die sich in Details aufzulösen scheinen und sogleich wiederum neue Formen zu bilden beginnen. Dieser Prozess bietet vielfältige, prinzipiell unendliche Kombinationsmöglichkeiten und soll (darf) sich in der Wahrnehmung (Phantasie) des Betrachters fortsetzen.
Den Aufbau eines Bildes geben – gleich einem Grundriss – feine Linien vor, an denen sich Flächen und Leerräume orientieren. Eine Linie formt, strukturiert und trennt. Jede Linie wird mit einer dünnen Messing-Rundstange und Tusche auf den Untergrund aufgedruckt. Durch das teilweise Abperlen der Farbe vom Metall entstehen beim Drucken Lücken. Diese Zwischenräume unterteilen feine Striche, gezeichnet mit einem Rapidograph. Gleich Noten auf einem Notenblatt ergeben diese eine Partitur. Verbindet man die Linien miteinander oder lässt sie überkreuzen, bilden sich Flächen und Achsen; die Partitur beginnt zu klingen. Jede Fläche wird separat mit Klebeband abgeklebt, wodurch gerade, kantige und starre Formen geschaffen werden. So entsteht eine zweite Gestaltungsebene. Farbabstufungen, Pinsel- und Drucktechniken erzeugen eine Oberflächenbeschaffenheit, die der strengen Gesamtstruktur räumlichen, fast haptischen Charakter verleiht.
Der Kontrast von Linie, feinen Strichen, geraden Kanten, weichen Farbverläufen und verschiedenen Oberflächenstrukturen evoziert den Eindruck einer fragmentierten, dekonstruierten Landschaft. Der Betrachter sucht sich seine Perspektive. Diese Wirkung wird durch die Auswahl der Materialien – Tusche und Rapidograph auf transluzenter, matter Zeichenfolie – besonders verstärkt und verleiht den Zeichnungen etwas Fragiles. In der Wiederholung und Weiterentwicklung von Linie, Strich und Fläche geht die Spurensuche nach Struktur, Form und Ausdruck weiter. (Text: Christian Backes, Markus J. Becker)
Ausstellung vom06. – 13. Februar 2015Galerie ersterersterPappelallee 69
10437 Berlin Prenzlauer Berg
Öffnungszeiten:
Mo – So 14 – 20 Uhr