Gerhard Altenbourg.
Das gezeichnete Ich

Anlässlich der Neuerwerbung einer Privatsammlung aus Stockholm mit über 100 Werken des bedeutenden Zeichners und Graphikers Gerhard Altenbourg (1926-1989) zeigt das Kupferstichkabinett zusammen mit dem bisherigen eigenen Bestand eine repräsentative Werkschau dieses vielfach international geehrten bildnerischen Poeten, in der dessen erstaunliche Kontinuität und Qualität anschaulich wird.

Gerhard Altenbourg, Ecce homo, 1950 Kupferstichkabinett, Staatliche Museen zu Berlin, seit 2008 Dauerleihgabe der Ernst von Siemens Kunststiftung, Foto: Volker-H. Schneider © Stiftung Gerhard Altenbourg, Altenburg / VG Bild-Kunst, Bonn 2015

Gerhard Altenbourg, Ecce homo, 1950 Kupferstichkabinett, Staatliche Museen zu Berlin, seit 2008 Dauerleihgabe der Ernst von Siemens Kunststiftung, Foto: Volker-H. Schneider © Stiftung Gerhard Altenbourg, Altenburg / VG Bild-Kunst, Bonn 2015

Im Sommer 2014 konnte das Berliner Kupferstichkabinett mit Unterstützung der Ernst von Siemens Kunststiftung und der Kulturstiftung der Länder die ausschließlich dem Werk des bedeutenden Zeichners und Graphikers Gerhard Altenbourg (1926-1989) gewidmete Privatsammlung von Solgärd und Rolf Walter aus Stockholm erwerben. Durch diesen Zugewinn von etwa 100 Einzelwerken (Zeichnungen, Aquarellen, Druckgraphiken) sowie vier Künstlerbüchern bzw. Mappenwerken und zahlreichen Publikationen mit originalkünstlerischen Beigaben zum bisherigen recht überschaubaren eigenen Museumsbestand ist das Berliner Kupferstichkabinett nunmehr in der Lage, im 25. Jahr der deutschen Einheit in einer repräsentativen, die gesamte Schaffenszeit umfassenden Werkschau (1948 bis 1988) die erstaunliche Kontinuität und Qualität dieses außergewöhnlichen bildnerischen Poeten vor Augen zu führen.

Der bis zu seinem Unfalltod Ende 1989 im thüringischen Altenburg ansässige Künstler musste seine künstlerische Eigenart unter vielen Opfern gegen die in der DDR herrschende kulturpolitische Doktrin durchsetzen, denn sein durch grauenhafte Kriegserlebnisse desillusioniertes Menschenbild taugte nicht zur Gestaltung sozialistischer Helden. Zudem war der Künstler durch seine frühzeitige Verbindung zu westdeutschen Kunsthändlern (Galerie Springer, Berlin, und Galerie Brusberg, Hannover/ Berlin) und privaten Sammlern jenseits der DDR-Grenzen den offiziellen Kulturfunktionären verdächtig und man ließ ihn observieren und drangsalierte ihn sogar mit gerichtlichen Verfahren.

So spiegelt die Existenz Gerhard Altenbourgs – wie kein zweites deutsches Künstlerschicksal nach 1945 – zugleich die Problematik der deutschen Teilung wider, die auch mit der Entstehung der Sammlung Walter aufs engste verknüpft ist und in Ausstellung und Katalog thematisiert wird. Zahlreiche Werke ihrer Sammlung erwarben die Walters direkt von Altenbourg, die sie zumeist mit Sachwerten bezahlten: mit Büchern aus westdeutschen Verlagen, Ausstellungskatalogen westlicher Museen und von Altenbourg gewünschten Künstlerfarben. Unter den Verhältnissen der staatlichen Teilung Deutschlands und besonders nach dem Mauerbau 1961 bedeutete die Beziehung zu dem aus der Bundesrepublik bzw. Schweden kommenden Ehepaar Walter für Altenbourg eine Kontaktmöglichkeit zur geistigen Welt über die engen Grenzen der DDR hinaus: »Wärmestrom in bleierner Zeit« hat es Altenbourg genannt.

Altenbourg erhielt zahlreiche internationale und westdeutsche Auszeichnungen, so u.a. den Burda-Preis für Graphik der Großen Kunstausstellung München (1966), den Preis der II. Internationale der Zeichnung, Darmstadt, (1967), als erster Künstler den von der Akademie der Künste in Berlin (West) gestifteten Will-Grohmann-Preis (1968) und 1989 die Goldmedaille der Internationalen Buchkunst-Ausstellung in Leipzig. 1970 bereits wählte ihn die Westberliner Akademie der Künste zum Mitglied.

Der Ausstellungstitel Das gezeichnete Ich – nach einer Sentenz des von Altenbourg tief verehrten Gottfried Benn – gilt für sein introvertiertes Schaffen in zweifacher Weise: das vom Leben »gezeichnete Ich« zu zeichnen.

Die Ausstellung zeigt etwa 110 Werke (Aquarelle, Zeichnungen, Druckgraphik, eine Plastik und Schmuck), die vornehmlich aus der neu erworbenen Privatsammlung Solgärd und Rolf Walter, Stockholm, stammen, ergänzt um meisterhafte Aquarelle sowie illustrierte Bücher aus dem bisherigen Bestand des Kupferstichkabinetts.
Schwerpunkte sind u.a.: der Ecce-homo-Komplex (1949/50) mit der Verarbeitung des traumatischen Kriegserlebnisses als junger Soldat, die Werkgruppe der frühen, in ganz geringer Auflage gedruckten – und darum höchst seltenen – Lithographien (1949-1952) mit provokanter existenzieller und politischer Thematik, das poesievolle farbige Holzschnittwerk von 1959 bis 1981 sowie die opulenten illustrierten Mappenwerke Wund-Denkmale (Farbholzschnitte) und Schnepfenthaler Suite (100 Kaltnadelradierungen).

Zur Ausstellung erscheint ein Katalog:Michael Imhof Verlag
Gerhard Altenbourg. Das gezeichnete Ich
Autoren: Dr. Anita Beloubek-Hammer, Rolf Walter, Dr. Benjamin Rux
240 Seiten.
Webseite Kupferstichkabinett Berlin