Drawing. The Bottom Line

Das S.M.A.K. in Gent widmet sich mit 53 internationalen Künstlerinnen und Künstlern in Drawing. The Bottom Line der Zeichnung in der Gegenwartskunst. Die individuelle Praxis der TeilnehmerInnen steht im Zentrum der Ausstellung, die als weiträumiges Archipel heterogener Ansätze zugleich die Vielschichtigkeit des Mediums darstellt. Alle TeilnehmerInnen eint, dass ihr Werk entweder aus der Zeichnung entwachsen ist oder dass diese mitsamt ihrer Geschichte eine besondere Reflexion in ihr findet.

In Drawing. The Bottom Line erscheint Zeichnung als Suche nach Balance, als Weltvorführung, als schwarzes Loch, als Löschen, als Korrektur, als Zeitmessung. Sie zeigt sich in der Performance, im Film, sie zeigt sich virtuos und brillant wie aber auch als schnelle Skizze, sie zeigt sich als leidenschaftlicher Ausdruck ebenso wie als Dokument kühler Distanz. Einige Werke sind in ihrer Natur eher politisch, andere eher poetisch, einige setzen Traditionen fort, andere brechen radikal mit ihr. Zeichnung zeigt sich als Weg des Denken – das Recht auf einen eigenen Umgang mit Zeit wie auf einen äußeren Standpunkt einfordernd. Als primäre Kulturtechnik steht die Zeichnung ebenso für Freiheit wie für Reflexion, denn jede Linie öffnet die Möglichkeit eines Bildes und damit einer Position zur Welt, sei die Distanz auch so dünn wie ein Blatt Papier.

Als ein der Wirtschaft entnommener Begriff steht The Bottom Line zugleich für das Ultimative: Wiederholt wird die Zeichnung als Mutter aller Künste beschrieben, worunter auch die Grafik fällt, eine ihrer Spielarten in den bildenden Künsten. Als elegantes wie ungreifbares Medium stellt sie eine Konstante dar, die fern aller zeitlicher Strömungen immer anwesend ist, manchmal mehr, manchmal weniger. Nicht von ungefähr erfährt sie eine besondere Prominenz im Moment der Krise und oft auch in Phasen des Umbruchs, in denen sich vormals gültige Konventionen auflösten – sei es in der Kunst der 1960er Jahre wie der der Gegenwart.

Mit Werken von Carol Rama oder William Anastasi reicht die Ausstellung Drawing.The Bottom Line ebenso tief ins 20. Jahrhundert der durchlebten „Ismen“, wie sie unsere multipel fragmentierte Gegenwart berührt. Aufwändige In-situ Präsentationen von Anna Barribal, Julian Göthe, Marc Bauer oder Marc Nagtzaam strukturieren die Ausstellung ebenso wie neue Werkgruppen von Annemie Van Kerckhoven, Michaël Borremans, Edith Dekyndt oder Nick Mauss, dazu kommt eine Reihe von Künstlerräumen: Francis Alÿs befragt das politische und poetische Potential der Linie als Grenze. Andrea Galiazzo zeichnet sprichwörtlich in unsere Haut. Trisha Donnelly spitzt unsere sensorische Wahrnehmung zu. Und Mark Manders lädt zur Tuchfühlung in sein Silent Studio ein. Elly Strik bringt das Kosmische unserer Existenz ebenso ins Bewusstsein wie Thierry De Cordier die Unmöglichkeit einer Gottesdefinition anhand von zwei obsessiven und überdimensionalen Schriftbildern – Werke, die sich jeder Abbildung entziehen. Mark Lombardi schließlich nahm prophetisch unser vernetztes Leben vorweg. Die letzteren Künstler stehen im räumlichen wie ideellen Zentrum einer Ausstellung, die für ein Wesentliches der Kunst und damit der Zeichnung einsteht: Drawing.The Bottom Line

Teilnehmende Künstlerinnen und Künstler:

Adel Abdessemed, Tomma Abts, Francis Alÿs, William Anastasi, Anna Barriball, Marc Bauer, Thomas Bogaert, Monica Bonvicini, Michaël Borremans, Andrea Bowers, Manon de Boer, Thierry De Cordier, Edith Dekyndt, Johan De Wilde, Tacita Dean, Trisha Donnelly, Ellen Gallagher, Andrea Galiazzo, Nikolaus Gansterer, Julian Göthe, Roni Horn, Henri Jacobs, Mark Lombardi, Nick Mauss, Mark Manders, Paul McCarthy, Lucy McKenzie, Julie Mehretu, Matt Mullican, Marc Nagtzaam, Jockum Nordström, Henrik Olesen, Gabriel Orozco, Raymond Pettibon, Chloe Piene, Carol Rama, Robin Rhode, Salam Atta Sabri, Thomas Schütte, Mithu Sen, Jim Shaw, Paul Sietsema, Alexandre Singh, Bart Stolle, Elly Strik, Ante Timmermans, Rosemarie Trockel, Ignacio Uriarte, Erik Van Lieshout, Anne-Mie Van Kerckhoven, Sandra Vasquez de la Horra, Jorinde Voigt, Kemang Wa Lehulere.

Bei Mercatorfonds, Brüssel, erscheint ein umfangreicher Katalog (248 Seiten, 45 Euro, in Niederländisch und Englisch), der neben einer Einführung der Kuratoren Philippe Van Cauteren und Martin Germann zwei Essays des bekannten britischen Autors John Berger erhält. Dazu finden sich zu allen teilnehmenden KünstlerInnen Kurzeinführungen von Experten aus dem Bereich der Gegenwartskunst.

S.M.A.K.
Jan Hoetplein 1
9000 Gent
Belgium
 
Öffnungszeiten:
Dienstag bis Sonntag von 10:00 bis 18:00 Uhr
Montags geschlossen.
http://smak.be