Die Klecksographie
Zwischen Fingerübung und Seelenschau

Unbekannter Künstler (Deutsch), um 1820. Tintenfleck mit sechs Profilbildnissen: Feder und braune Tinte, 130 x 110 mm (Bild). Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud, Köln

Unbekannter Künstler (Deutsch), um 1820. Tintenfleck mit sechs Profilbildnissen: Feder und braune Tinte, 130 x 110 mm (Bild). Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud, Köln

Langsam tropft die Tinte von der Feder und landet verspritzt auf dem Papier, wo sie sich rasend schnell ausbreitet. Was im Privaten ein Ärgernis ist, betrat um 1800 die Bühne des künstlerischen Geschehens: der Klecks. Maler wie William Turner und Gustave Moreau aber auch Schriftsteller wie Victor Hugo und George Sand waren begeistert von der geheimnisvollen Schönheit des amorphen Gebildes. Das Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud widmet der Klecksographie vom 9. August bis zum 13. Oktober 2013 eine eigene Kabinettausstellung. Unter dem Titel „Die Klecksographie – Zwischen Fingerübung und Seelenschau“ zeigt das Kölner Haus 25 Zeichnungen in denen der Klecks als schöpferischer Akt im Mittelpunkt steht. Die Ausstellung will damit nicht die Geschichte, sondern die große ästhetische Kraft der klecksographischen Methode veranschaulichen.

Bereits Leonardo da Vinci sah in dem Klecks und in der Wolke Inspirationsquellen, die die Phantasie der Künstler zu eigenen Bilderfindungen anregten. Aber erst im 19. Jahrhundert kam dem Klecks auf dem leeren Zeichenblatt eine besondere Bedeutung zu. Von den Künstlern selbst aufs Papier geworfen, bildete er den Ausgangspunkt des kreativen Gestaltens. Die Ausstellung zeigt unter anderem Arbeiten von Justinus Kerner, der mit seinen Klappdrucken die Klecksographie begründete. Ohne künstlerischen Anspruch vermochte er damit eine monströse Geisterwelt ans Licht zu bringen. Auch Victor Hugo ist mit Werken in der Schau vertreten, die er als Träume (rêves) bezeichnete, die wie Wolken am Himmel zwischen Bestimmtem und Unbestimmtem schwanken. Weitere Zeichnungen zeigen den Klecks als Zufallsprodukt, als Mittel zur künstlerischen Formfindung, als Projektionsfläche für eigene Phantasien, als Übergangsmedium zu einer Geisterwelt und nicht zuletzt als einen der Wegbereiter der Moderne.

Anlässlich der Ausstellung erscheint ein Katalogheft mit Beiträgen von Thomas Ketelsen, Kurator der Ausstellung, Bernhard Maaz, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, und Thomas Klinke, Restaurator am Wallraf. Der Katalog aus der Reihe „Der un/gewisse Blick“ (Heft 12) kann für 10,- Euro im Museumsshop erworben werden.

www.wallraf.museum