»Anohni« ist der neue, weibliche Name von Antony Hegarty, der als Musiker, unter anderem mit seiner Band Antony & the Johnsons bekannt wurde. Nach dem spektakulären Erfolg ihres neuen Albums Hopelessness, das am 6. Mai 2016 erschienen ist, stellt Anohni in der Kunsthalle Bielefeld eine ganz neue Seite ihres künstlerischen Schaffens vor.
Seit etwa zehn Jahren hat Anohni ein bildnerisches Werk geschaffen, das zum Teil schon auf ihren Albumcovern Verwendung gefunden hat. Wie ihre Musik ist auch ihr bildnerisches Werk charakterisiert durch eine Verbindung von Melancholie, Gewalt und Poesie mit der sie ihre zutiefst humanitäre Mission vorbringt: ein Bewusstsein zu schaffen für die Zerstörung unserer Umwelt, namentlich den Klimawandel und der Verantwortung jedes Einzelnen für diese Welt.
I am presenting «My Truth» at Kunsthalle Bielefeld in July 2016. It is a survey of the work I have accumulated over the last 10 years. I have been exploring my sense of this world as «Paradise», and my sense of vanishing, or «Exodus». I am circling a notion of our virulence as a species in our relationship to biosphere and biodiversity. As an effeminate, I see a parallel between the intention of HIV and our intentions as a species, and I wonder how conscious a virus is of its tragic trajectory, and if it could be possible for a virus to change it’s trajectory. I feel innocent and yet complicit in committing acts of violence. In a world in which all moments in time exist simultaneously, I experience my truth as a cacophony of terrible, gentle beauty. In this exhibition, I am also sharing the work of Peter Hujar, Kazuo Ohno and James Elaine: three artists whose work formed me.
Anohni, Berlin Dezember 2015
Im ersten Obergeschoss der Kunsthalle führt Anohni die künstlerischen Positionen von James Elaine, Peter Hujar und Kazuo Ohno zusammen. Die Zeichnungen und Skulpturen des amerikanischen Künstlers James Elaine, geboren 1950, werden erstmals in Europa gezeigt. James Elaine lebte in den 1980er- und 1990er-Jahren in New York, wo Anohni auf seine Arbeiten aufmerksam wurde. Er arbeitet mit vorgefundenen Objekten und schafft Werke von großer Melancholie. Peter Hujar (1934–1987) gilt als der Fotograf der «Aids-Generation» im New York der späten 1970er- und 1980er-Jahre. Seine Porträts von Künstlern, Musikern, Intellektuellen und der Schwulen-Szene in Manhattan dieser Zeit sind empathisch und konzentriert. Die Motive anderer Fotoserien Hujars können als Metaphern dieser komplexen Zeit gelesen werden. Schließlich verweist Anohni auf den japanischen Butho-Tänzer Kazuo Ohno (1906–2010), dessen Kunst japanische Tanztradition mit europäischem Ausdruckstanz verbindet und maßgeblich die Auftritte von Anohni geprägt hat.
Im zweiten Obergeschoss sind die Werke von Anohni selbst zu sehen. Die Ausstellung besteht aus Malerei, Collagen und Installationen, die einen starken thematischen Fokus auf die vom Menschen verschuldeten Veränderungen unserer Umwelt haben. Eine der zentralen Figuren der Ausstellung ist der Eisbär. Bereits auf dem Cover von Anohnis viertem Studioalbum «Swanlights» aus dem Jahr 2010 ist die gleichnamige Collage zu sehen, im Zentrum das Bild eines getöteten Eisbären, der den Namen «Swanlights» trug. Eisbären sind aufgrund der globalen Erwärmung vom Aussterben bedroht.
Eine eigene Werkgruppe bildet Anohnis Malerei in Enkaustik, eine Technik, bei der erhitztes Wachs als Bindemittel für Pigmente verwendet wird. Anohni schließt auch gefundenes Material in das Wachs ein, so dass die Oberfläche der Bilder geschichtet und zusammengeklebt ist. Manchmal verbrennt und zerstört sie diese Oberflächen auch wieder.
Drei Hauptthemen der Ausstellung sind «Paradise», «Exodus» und «Angel of Death». Anohnis «Angel of Death» weist in eine unsichere Zukunft: Globale Erwärmung, Krieg, Terrorismus und die Ausrottung ganzer Tierarten durch die menschliche Zerstörung der Biosphäre. In der Videoinstallation «Angel of Death» verkörpert Johanna Constantine, eine Performance- und Body-Paint-Künstlerin, mit der Anohni seit Jahren zusammenarbeitet, den «Angel of Death». Sie bewegt sich zu dem gleichnamigen Song in einem künstlichen Umfeld. Der Stil ihrer Performance ist zart und schön. Sie erscheint als halb Tier, halb Mensch und trauert über den «Exodus» der Tierarten, der den «Exodus» aller Lebewesen vorwegnimmt. Die AIDS-Krise der 1980er- und 1990er-Jahre machte einen starken Eindruck auf Anohni, als sie in den frühen 1990er Jahren nach New York zog. Peter Hujars ikonisches Bild der sterbenden transgender Schauspielerin und Andy Warhol Muse Candy Darling, «Candy Darling on her Deathbed», ziert das Cover des Albums «I Am a Bird Now“ von Anthony & the Johnsons, veröffentlicht im Jahr 2005.
Künstler und Aktivisten wie Candy Darling, die Schwulenbewegungs-Aktivistin und Drag Queen Marsha P. Johnson, Schauspieler, Sänger und Drag Queen Devine (fka Harris Glenn Milstead); Hibiscus (fka George Edgerly Harris III.) mit seiner psychedelischen Theatergruppe «The Cockettes» und Anohnis eigene Gruppe des «Future Feminism» sind nur einige der Charaktere und Einflüsse, die in eine Serie von Totems eingeflossen sind, die in der Ausstellung zu sehen sein werden. Die Totems sind Collagen aus verschiedenen Papieren, Magazinartikeln, Postern, Restaurantquittungen, Flyern, Fotos und Bildern.
Die Gruppe der Totems formt geistige Verwandtschaften und erzählt Geschichten. Sie formt einen neuen Kontext, in dem Menschen, Tiere, Pflanzen und Ereignisse sich zu einem utopischen Stammbaum versammeln. Die Ausstellung, die Anohni für die Kunsthalle Bielefeld unter dem Titel «My Truth» konzipiert hat, funktioniert in ähnlicher Weise. Sie führt die Werke von Peter Hujar, James Elaine und Kazuo Ohno zusammen, die alle einen starken Einfluss auf Anohni hatten und, wie sie sagt, sie «geformt» haben.
Kuratoren: Dr. Friedrich Meschede, Anohni
Kuratorische Assistenz: Meta Marina Beeck
Begleitprogramm: Anohni. Symposium zur Ausstellung: 23 + 24 07 16/Sa + So 14 h
- Kunsthalle Bielefeld
Artur-Ladebeck-Straße 5, 33602 Bielefeld - Öffnungszeiten: Di–Fr 11–18 h, Mi 11–21 h, Sa 10–18 h, So und feiertags 11–18 h, Montag geschlossen
- www.kunsthalle-bielefeld.de