46. Internationales Comic-Festival in Angoulême

Die Hotelzimmer in der westfranzösischen Kleinstadt sind seit Wochen ausgebucht. Trotzdem werden die Besucher wie jedes Jahr zahlreich anreisen, denn die besten internationalen Comic-Autoren werden vor Ort zeichnen und auf Podiumsdiskussionen debattieren. Vier Tage lang gibt es Verlagspräsentationen, Wettbewerbspreise und Workshops. Vor allem aber die zahlreichen Ausstellungen machen Europas größtes Comic-Festival zu einem spannenden Zentrum der internationalen Comic-Welt.

Richard Corben ist ein Altmeister der Fantasy-Comics. Er entwirft meist düstere und immer gewalttätige Planetenwelten, in denen Lärm und Wut herrschen und die von Comic-Monstern und furchterregenden Mutanten bevölkert sind, oft auch von kurvenreichen jungen Frauen und übermäßig muskulösen Männern. 1940 im US-Bundesstaat Missouri geboren, hatte Corben seinen Durchbruch Mitte der 1970er Jahre in Frankreich. Er ist gemeinsam mit der legendären französischen Comic-Zeitschrift Métal Hurlant international berühmt geworden. Seine außergewöhnliche Technik, die mit Volumen, Schatten und Licht mehr spielt als man das in Comics gewohnt war, machte ihn zu Vorbild auch für Zeichner, die völlig andere Stile pflegen. Die umfassende Retrospektive in Angoulême stützt sich auf das Material privater Sammler.

Die Batman-Serie hingegen ist 1939 im klassischen Umfeld der kommerziellen Comic-Produktion gestartet, hat sich in den Händen sehr talentierter Zeichner und durch zuletzt immer aufwändigere Produktionen aber längst in den oberen Etagen des Comic-Genres etabliert. Von Bob Kane über Frank Miller bis hin zu verschiedensten Verfilmungen haben unterschiedlichste Comiczeichner, Szenaristen und Filmemacher den Batman-Mythos neu formuliert. Batman ist anders als Superman. Er trägt eine schwarze Maske und ein Cape, die ihm eine dunkle Aura verleihen. Er hat keine Macht, sondern verlässt sich auf sein persönliches Glück, seine Intelligenz und sein Talent, um Gerechtigkeit zu erkämpfen. Batman ist ein uneigennütziger Superheld, der die Bürger beschützt und gegen die Korruption der Stadt und des Landes kämpft. Die Ausstellung über 80 Jahre Batman wird von Urban Comics, DC, Warner Bros. und den Kuratoren des Festivals organisiert.

Ganz in der Gegenwart ist man mit den realistischen Erzählungen der israelischen Comic-Zeichnerin Rutu Modan.
Ihre erste Graphic Novel Exit Wounds (168 Seiten, in Deutsch Blutspuren) erzählt die Geschichte eines Taxifahrers, der herauszufinden versucht, ob sein Vater bei einem Terror-Angriff ums Leben kam. In The Property (232 Seiten, in Deutsch Das Erbe) reist eine junge Frau mit ihrer Großmutter nach Warschau, um ein Mietshaus zu finden, das im Zweiten Weltkrieg enteignet wurde, und nach einiger Zeit ahnt, dass die Großmutter vielleicht eher eine Jahrzehnte alte Liebesaffäre verfolgt. Rutu gründete zusammen mit anderen die Zeichner-Gruppe Actus Tragicus. Sie hat auch Kinderbücher und zwei Comic-Serien für die New York Times gezeichnet. Für den New Yorker, Le Monde und die Süddeutsche Zeitung zeichnet sie regelmäßig Illustrationen. Rutu ist heute Professorin für Illustration und Comics an der Bezalel Academy of Arts and Design in Jerusalem.

Spricht man mit Rutu Modan, versteht man welche Bedeutung das Festival international hat. Rutu sagt, es sei eine große Sache für sie, eine Retrospektive in Angoulême zu haben. »Bei meinem ersten Besuch 1996 hatte ich einen Kulturschock.« Denn in Israel gab es damals nicht viele Comics, nicht einmal kommerzielle, auch nicht für Kinder. Ein Jahr zuvor hatte sie mit Yirmi Pinkus, Itzik Rennert, Batia Kolton und Mira Friedmann die Gruppe Actus Tragicus gegründet, um unabhängig eigenes Material zu publizieren. Danach reisten sie jedes Jahr zum Festival in Angoulême, wo sie 1998 Drawn & Quarterly trafen – seitdem ihr wichtigster Verlag, der ihnen den amerikanischen Markt öffnete. »In Angoulême haben wir verstanden, was wir tun können und wie wir es tun. Ich sage meinen Studenten, wie wichtig es ist, die Branche zu verstehen. Du musst nicht gehorchen, du machst immer noch deine eigene Arbeit, aber du lernst, wie man sie in die Welt trägt. Das hat uns Angoulême gezeigt.«
hr

Die Festival-Tageskarte kostet je nach Wochentag im Vorverkauf ab 16 Euro, vor Ort ab 19 Euro.

46e Festival International de la Bande Dessinée
Angoulême, 24.–27. Januar 2019
http://www.bdangouleme.com/